Page 35 - VBKI-Spiegel #253
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                Titelthema: Erfolgreich oder beliebt? I VBKI Spiegel # 253 34/35
 siert werden, bleiben wir von einer Lösung weit entfernt. Denn die Debatte artet meist in Schuldzuweisungen und Negativ- unterstellungen aus: „Die Männer wollen ja gar keine Frauen in ihrem Old Boys Club“, schallt es aus der einen Ecke, „Die Frauen wollen ja keine Führungspositionen”, aus der anderen.
die Geschichte hinter der zahl
Dabei gibt es nach meinem Eindruck und nach meiner Kenntnis in der Digitalbranche eine große, aber wenig lautstarke Gruppe, die auch in Diversity-Fragen das tut, was Start-ups ohnehin am besten können: Es einfach mal machen und sich auf die Ergeb- nisse konzentrieren. Man darf nicht vergessen, dass hier eine Generation von Unternehmern am Werk ist, für die Hierarchie- denken und Status weit weniger wichtig ist als für ihre Vorgän- gergenerationen – auch in Bezug auf Geschlechterklischees. Ergebnisorientierung und damit verbundene Kooperation schlägt Schubladendenken.
Da ist etwa eine Fränzi Kühne von TLGG, die mit 25 zusammen mit ihren männlichen Kommilitonen eine Digitalagentur gegrün- det hat, und mittlerweile die jüngste Aufsichtsrätin Deutsch- lands ist. Ein Dirk Graber, zu dessen Toplevel bei Mister Spex seit den Anfängen starke Frauen wie COO Stefanie Budesheim- Wels gehören oder auch eine Lydia Benkoe, die sich in der Welt der Unternehmensfinanzierungen in kürzester Zeit Relevanz er- arbeitet hat. Da sind die zahlreichen Unternehmen, die uns in den Briefings für einen Executive Search sagen: „Mehr Frauen
wären super für uns!” – und die es auch so meinen. Qualitativ sind wir also gar nicht so weit von dem entfernt wo wir hinwollen.
Wie entsteht die Lücke?
Die „Diversity-Lücke“ (wenn man sie so nennen will) entsteht meist da, wo die junge, egalitäre Kultur auf veraltete, aber wei- terhin prominent kolportierte Vorstellung von idealem Füh- rungsverhalten trifft: Da wird gerne mal Ego mit Leadership verwechselt, Selbstüberschätzung mit Selbstbewusstsein, und Einbildung mit Ausbildung. Dieses Thema ist weit größer als die Gender-Frage – es geht vielmehr um die grundsätzliche Hal- tung, mit der wir in Zukunft unsere Wirtschaft und Arbeitswelt gestalten.
Die Gründe sind mannigfaltig: Aggressive Kapitalgeber, die ebenso aggressive Führungskräfte in Ventures installieren und damit eine bestimmte – für Frauen häufig unattraktive – Kultur schaffen, in der der Mensch in den Hintergrund rückt; Wertvor- stellungen in Start-up-Teams, die unter dem Druck starker Ska- lierung oder Überlebensnot plötzlich aufbrechen; aus Wachs- tumsschmerz hastig besetzte Positionen, bei denen auf die Per- sönlichkeit und Wertvorstellungen des Kandidaten nicht wirklich geachtet wird und so kulturelle Bombenleger die ursprünglich gute Idee von innen aufbrechen können. Kein Konstrukt, das sich schnell entwickelt oder entwickeln muss ist frei von schwarzen Schafen – auch nicht in der Digitalwelt. Genau sie erhalten auch die größte mediale Aufmerksamkeit – damit nehmen auch die
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