Page 29 - VBKI-Spiegel #253
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                  Titelthema: Erfolgreich oder beliebt? I VBKI Spiegel # 253 28/29
   Erfolg von guten Firmen ausmachen! Ein- seitige Führungsstrukturen sind auch wirt- schaftlich unklug. Studien zeigen, dass gemischte Teams viel produktiver und er- folgreicher sind, kreativere und effizien- tere Lösungen hervorbringen und somit zum Wirtschaftswachstum beitragen.
Davon abgesehen ist es natürlich auch eine Frage der Gerechtigkeit: Frauen müs- sen den gleichen Zugang zu Führungspo- sitionen in der Wirtschaft haben – und zwar nicht nur theoretisch sondern tat- sächlich. Wir sollten in Europa bei der Förderung von Frauen in Chefetagen als Vorbild vorangehen – stattdessen sind wir nur im Mittelfeld.
Warum haben die politischen Maßnahmen der Vergangenheit so wenig gegriffen?
Es hat sich etwas verändert. Aber es ist noch nicht genug. Was sich verbessern muss, wollen wir mit der Anfang 2019 be- ginnenden Evaluierung des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ he- rausbekommen. Aber bereits jetzt lässt sich Folgendes sagen: Maßnahmen wie die Quote für Aufsichtsräte haben dafür gesorgt, dass der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten seit 2015 um neun Prozent- punkte gestiegen ist. Wir sehen auch, dass sich Unternehmen mit fester Quote ambitioniertere Zielgrößen für die übri- gen Führungsebenen setzen. Das Problem sind eher die Unternehmen, die nicht unter die Quote fallen. Dort werden ge- mischte Teams noch nicht ausreichend in die Tat umgesetzt. Der Koalitions- vertrag sieht deshalb vor, dass die Wirk-
samkeit des Gesetzes im Privatrecht ver- bessert werden soll. Wenn die Melde- pflicht für Zielvorgaben für Vorstände und Führungsebenen nicht eingehalten wird, soll das künftig entsprechend der Bestimmungen des Handelsgesetzbu- ches sanktioniert werden. Gleiches gilt für die Begründungspflicht bei der An- gabe der Zielgröße „Null“, die wir gemein- sam mit der Justizministerin einführen werden.
Wie wollen Sie künftig gegensteuern und zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern?
Frauen verbringen im Durchschnitt viel mehr Zeit mit unbezahlter Haushaltsar- beit und sind meistens auch noch für die Kinderbetreuung verantwortlich, dadurch bleibt weniger Zeit für die eigene Karriere. Frauen sind häufiger in Teilzeit beschäf- tigt als ihre männlichen Kollegen und wer- den bei Beförderungen auch darum oft nicht berücksichtigt. All das werden wir nur ändern, wenn wir einen Mentalitäts- wechsel schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Es bleibt viel zu tun, aber wir haben auch schon viel erreicht. Mittlerweile bezieht bei über 35 Prozent der Kinder auch der Vater El- terngeld und bleibt für einige Zeit zu- hause. Vor Einführung des Elterngeldes 2007 lag die Beteiligung der Väter an der Betreuung für die kleinsten Kinder bei nur rund 3 Prozent.
Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die frühkindliche Förderung besser wird und alle die einen Kitaplatz suchen auch einen finden. Der Bund wird bis
2020 den Ausbau von 100.000 weiteren Kitaplätzen mit einem Sonderinvestitions- programm fördern – zusätzlich zum En- gagement der Länder. Mit dem Gute- KiTa-Gesetz geben wir ab 2019 insgesamt 5,5 Milliarden Euro an die Länder – für mehr Qualität und weniger Gebühren in der Kindertagesbetreuung. Und wir star- ten eine Fachkräfteoffensive des Bundes für Erzieherinnen und Erzieher.
Und natürlich darf gute Betreuung nicht enden, wenn das Kind in die Schule kommt. Darum werden wir einen Rechts- anspruch auf Nachmittagsbetreuung im Grundschulalter einführen, der ab 2025 kommen wird.
Haben Sie selbst in Ihrer bisherigen be- ruflichen Laufbahn Erfahrungen mit der berühmten „gläsernen Decke“ gemacht? Wurden Ihnen bestimmte Aufgaben nicht zugetraut oder angetragen, weil Sie eine Frau sind?
Ich persönlich habe in den meisten Fäl- len gute Erfahrungen gemacht, ich wurde sowohl von Frauen als auch von Männern gefördert. Aber was mir häufig passiert, ist, dass ich mich fragen lassen muss, ob ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich vielleicht nicht so oft bei meinem Sohn sein kann wie andere. Einen Mann wür- de man das nie fragen. Es ist noch lange nicht selbstverständlich, dass Frauen ge- nauso in Führungspositionen arbeiten, wie Männer. Das ist für mich ein klarer Auftrag. Wir bleiben dran!
Vielen Dank!





















































































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