Eine Stellungnahme von Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller
„Die Ränder – insbesondere die AfD – haben verloren, die Parteien der Mitte gehen gestärkt aus der Wahl hervor. Der Wahlsieger SPD hat unter Führung von Franziska Giffey mehrere Optionen zur Regierungsbildung. Vieles spricht dafür, dass ein ‚Weiter so’ aus Sicht der Wählerinnen und Wähler nicht gewünscht ist, ein Dreierbündnis ohne Beteiligung der Linkspartei ist möglich. Es liegt jetzt an Frau Giffey, ihrem angekündigten Kurs der Mitte jetzt Taten folgen zu lassen.
Wichtig ist: Die künftigen Koalitionäre dürfen sich nicht weiter in einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners verlieren. Die vergangene Legislaturperiode hat nachdrücklich belegt: Die Leistungsfähigkeit eines Dreierkonstellation steht und fällt mit der Fähigkeit der Bündnispartner, einen gemeinsamen Spirit aufzubauen. Wenn dieser Wille zum Miteinander fehlt, drohen Stillstand und Dysfunktionalität. Auch die Machtverschiebungen auf Bezirksebene bieten die Chance, der Zusammenarbeit mit dem Senat im Sinne eines Guten Regierens neues Leben einzuhauchen – und den Weg für einen neuen Aufbruch freizumachen.
Über alle politischen Ebenen hinweg braucht Berlin jetzt die Kraft, um die großen Herausforderungen beherzt anzupacken: Dazu gehört die Kombination aus effizientem Klimaschutz und wirtschaftlicher Prosperität, dazu gehört die Organisation eines wirtschaftlichen Kickstarts nach der Pandemie und dazu gehört vor allem, das Thema Wohnraummangel in unserer Stadt endlich zu lösen und die Politik des jahrelangen Stillstands zu beenden.
Apropos: Berlin hat gestern bedauerlicherweise gleich in doppelter Hinsicht ein fatales Bild abgegeben. Die Annahme des Enteignungs-Volksentscheids dürfte sich als Klotz am Bein jener Menschen erweisen, die den Wohnraummangel nach jahrelangem Stillstand endlich durch beherzten Neubau beseitigen wollen. Und die chaotische Organisation des gestrigen Wahltages ist nicht nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Berlin immer schon als “failed state” betrachtet haben. Sie rührt - schlimmer noch - an das Herz der Demokratie. Um als international attraktiver Wirtschaftsstandort zu gelten, braucht es den Schutz von Eigentum ebenso wie eine funktionierende Verwaltung.
Wir müssen pragmatisch alle Kraftzentren in dieser Stadt aktivieren, um Berlin schnellstmöglich in Richtung Zukunft zu orientieren. Mehr Miteinander, weniger Gegeneinander – das ist der vielleicht wichtigste Auftrag an die künftigen politischen Entscheidungsträger.“